Zwei Ziele der Kunst

Wie befasst sich Kunst mit dem Schönen? Sie schafft Schönes und zugleich lehrt sie, das Schöne zu betrachten; Pseudokunst verweigert sich diesem Anspruch, schlechte Kunst verfehlt ihn nur.

  30. Dezember 2013    2' Lesezeit

Zwei Ziele der Kunst

Wie „betrifft“ Kunst das Schöne? Sie hat das Ziel, Schönes zu schaffen, aber auch, es dem Publikum nahezubringen, eine ästhetische Erziehung zu erteilen.

Letzteres Element ist auch Teil der Kunstgeschichte, -kritik, -theorie. Deshalb ist gute Kritik auch so nahe mit Kunst verwandt – sie bringt einem das Kunstwerk nahe und führt zur Weiterentwicklung des ästhetischen Sinnes.1 Das Kunstwerk soll (idealerweise) als solches erzieherische Funktion übernehmen – ohne zusätzlichen Kommentar.

Intention und Pseudokunst

Es gibt (z. B. in der Natur) Dinge, die als „zufällige Kunstwerke“ bezeichnet werden können, niemals aber „zufällige Kunst”. Die Intention Schönes zu schaffen und zu vermitteln ist ein notwendiger Bestandteil der Kunst.

Der Künstler ist verpflichtet, das Schöne und das Publikum in Kontakt miteinander zu bringen. Wenn dieses Selbstverständnis fehlt, wenn sich der Künstler diesem Anspruch verwahrt, kann ihn auch kein außerordentliches schöpferisches Talent mehr zum Künstler machen. Verachtung für das Schöne und Zynismus für die Betrachter sind das Kennzeichen von Pseudokunst.

Das Vulgäre, welches das Angenehme und Begehrenswerte als Schönes vorgibt, ist ein Beispiel von Pseudokunst. Es leugnet den universellen Anspruch der Schönheit und verzichtet damit bewusst darauf, das Publikum zu erziehen – vielleicht unter dem Vorwand, dass es „zu dumm” für eine solche Bildung sei.

Schlechte Kunst

Schlechte Kunst hingegen ist aus einer künstlerischen Absicht entsprungen, wird ihren Ansprüchen aber nicht gerecht. Neben fehlendem technischem Können oder unreifem ästhetischem Gefühl gibt es zwei Arten fehlgeschlagener Kunstwerke.

Imitate (Kitsch) bilden Schönes ab, lehren aber nichts Neues, sind in der bloßen, fast mechanischen Reproduktion verhaftet, die das Wesentliche nicht trifft. Die Lehre und Weiterentwicklung des Schönen schlägt dabei fehl.

Kommentare (Avantgarde) zielen auf Neuheit ab, fahren das Publikum an: „Schau!“ – scheitern aber an der Vermittlung dieser Neuheit durch das Kunstwerk – auf die Frage „Warum soll ich schauen?“ haben sie keine Antwort. Der ästhetische Aspekt der Kunst hinkt dem kritisch-theoretischen hinterher.

Wie kann über Kunst gestritten werden?

Nun bleibt zu klären, wie sich schlechte Kunst – oder gar Pseudokust – von gelungener Kunst unterscheiden ließe. Ein vollständiges, abschließendes Urteil darüber ist prinzipiell nicht möglich, weil Schönheit – im Gegensatz zur Wahrheit – nie vollständig und abschließend rational begriffen werden kann. Denn selbst eine vollständig ausgearbeitete Ästhetik lässt immer Interpretationsspielraum dafür offen, wie ein bestimmtes Kunstwerk in ihr Regelwerk eingeordnet werden soll.

Dennoch kann (und soll!), innerhalb dieser Grenzen, anhand der eben erarbeiteten Merkmale, über Kunst gestritten werden. Werden einmal die Möglichkeiten und Einschränkungen des Kunstdiskurses deutlich, kann sich eine fruchtbare Sprache der Kunstkritik entwickeln.2

Es kann zum Beispiel versucht werden, jemanden davon zu überzeugen, dass eine gewisse Kunstrichtung nur das Publikum verhöhne und deshalb eigentlich keine Kunst sei; oder man kann versuchen, die Originalität eines Kunstwerks zu bestreiten, indem man Ähnlichkeiten mit vorhergehenden Werken aufzeigt. Eine solche Argumentation wird natürlich nicht immer zu einer Einigung führen. Es wird aber zumindest klar, wo sich die Interpretationen trennen, was schon an sich einen beträchtlichen Erkenntnisgewinn darstellt.


  1. Ein gelungenes Beispiel dafür sind Sartres literarische Kritiken. 

  2. Natürlich stelle ich nicht den Anspruch, diese zu formulieren. Es geht mir um die prinzipielle Erkenntnis, dass Unvollkommenheit nicht ein Todesurteil jeder rationalen Kunstkritik ist.